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Der koloniale Blick – Afrika – Leipzig 1856

Der koloniale Blick – Afrika – Leipzig 1856

Mungo Parks Bericht über seine Afrikareise 1799 ist typisch für die Prägung eines Afrika-Bildes, das heute immer noch vorherrscht.

Antikoloniale Gedächtnisübung, geschrieben 2014

Mungo Parks Bericht „Travels In The Interior Districts Of Africa“ (1799) wurde in Leipzig 1856 von Dr. Friedrich Steger auf Deutsch herausgegeben und mit einem Vorwort versehen, das die damals bekannte „Erforschung“ Afrikas rekapitulierte – beginnend mit dem griechischen Geschichtsschreiber Herodot. Die erste Übersetzung von Mungo Parks Bericht erschien bereits im Jahr 1800, also ein Jahr nach der englischen Originalausgabe.

Interessant schon die Titelgebung von Parks Buch: Es reise zu „Districts“ in Afrika – was eine Anleihe bei der britischen Verwaltungsgliederung seiner Zeit macht und nicht einfach nur „Gegend“ bedeutet.

Die Thiere, denen noch kein Respect vor europäischen Flinten und Geschützen beigebracht worden war, machten gefährliche Angriffe.
In Afrika gab es im 18. Jahrhundert keine Distrikte.

Die forschenden Reisen sollten ja den dunklen Kontinent erschließen und zuallererst musste deshalb eine geografisch-räumliche Gliederung her, die sich später dann auch als koloniale Verwaltungsstruktur realisierte – Uganda ist heute in „Districts“ aufgeteilt. Im England zu Mungo Parks Zeit war die unterste, subalternste Struktur der staatlich-räumlichen Gliederung eben der „District“. Afrika erwies sich solch geistreichen Zugängen als resistent und immer wieder hatten die Kolonisatoren das Problem Grenzen zu ziehen, wo eigentlich keine waren. Im Sinne dieser Erschließung war die nackte Gewalt das Mittel der Wahl, um vorgefundene Siedlungsstrukturen, angenomme Sprachgrenzen, imaginierte kulturelle Differenzen, Praktiken, Sitten, Gebräuche usw. räumlich zu differenzieren um damit „Wissen“ herzustellen, das kolonialen Ambitionen dienen konnte.

In dieser Hinsicht ist  das Zitat eines britischen Anthropologen interessant, der die Produktion von Wissen direkt an die Existenz von staatlichen Verwaltungsstrukturen knüpft:

Wenig ist bekannt über diese Leute, denn das Land ist noch nicht durch eine Verwaltung erschlossen. (Little is known about this people, as the country has not yet opened up to administration)

(Hobley, C.W., London 1902, Eastern Uganda: An Ethnological Survey – zitiert nach Himmelfarb/Cavanagh: „Necropolitical Ecology on the margins of the Uganda Protectorate“)

Friedrich Steger bietet im erwähnten Vorwort zum Sinn und Zweck der Reisen als auch zur eingesetzten Gewalt Einblicke in die europäische Vorstellungswelt. Das Interesse galt Märkten für europäische Ware. „Wilde“, die daran kein Interesse zeigten, waren uninteressant. Er erwähnt eine wichtige Entdeckungsreise 1620/21 des Briten Richard Hobson und konstatiert unergiebige Handelsmöglichkeiten:

„Was man wirklich fand, ermuthigte nicht sehr. Die wilden Einwohner kannten kein anderes Bedürfnis als Salz, so daß der englische Handel in ihnen keinen besonders guten Abnehmer finden konnte, der Fluß war mit Sandbänken und Untiefen angefüllt und seine Luft entlud auf die Fremden Fieberstoffe.“

Anschließend wird die unbotmäßige tierische Wildnis selbst zum Gegenstand:

„Die Thiere, denen noch kein Respect vor europäischen Flinten und Geschützen beigebracht worden war, machten gefährliche Angriffe. Ein Elephant trieb eine ganze Schiffsmannschaft in die Flucht, ein Flußpferd, bei einem Spaziergange auf dem Boden des Flußbetts mit einem Boot in unangenehme Berührung gekommen, schlug mit seinen Zähnen dem Kiel ein schlimmes Loch, selbst Affen zogen gegen die ungewohnten Gäste ins Feld. Die Krokodile zählte man nach Dutzenden, Flußpferde schnoben und schnarchten in jeder Bucht, Elephanten in Herden bis zu sechzehn Stück zeigten sich oft, von Affen sah man einmal ein völliges, in drei Treffen geordnetes Heer, das erst vor den englischen Kartätschen wich.“

Der Blick auf die Wildnis unterschied nicht zwischen Tieren und Menschen. Die Vorstellung, dass die afrikanische Tierwelt eines Tages „Respect“ vor englischen Flinten haben könnte, erscheint uns heute bemitleidenswert naiv. Bezogen auf die vorgefundenen Menschen jedoch war die Realisierung dieser Absicht durchaus real und schrieb sich als kolonialer Horror in das kollektive Gedächtnis nicht nur in Afrika ein.

Dem britischen Kriegsminister schrieb Mungo Park 1804, die Ziele seiner zweiten Reise seien „die Ausweitung des britischen Handels und die Erweiterung unseres geographischen Wissens“ und ferner wolle er untersuchen, „ob irgendein Landesteil für Großbritannien zur Kolonisation brauchbar wäre“.(Wikipedia)
Sobald ein Territorium einmal gewaltsam abgesteckt war, wurden die dort Lebenden mittels Hüttensteuern zu ökonomischen Aktivitäten gezwungen, die weg vom bloßen Salz auch Geld einbrachten, also Anbau von Cash-Crops, um mit dem Erlös der Steuerpflicht nachzukommen. Andernfalls drohte unbezahlte Zwangsarbeit, z.B. ein Jahr lang jeden Samstag Frondienst zu leisten. Oder die gewaltsame Verschleppung zu den Plantagen der „Neuen Welt“.

Literatur

PDF: Mungo Parks Reise durch Afrika 1799 – Hrg. 1856 Steger – GOOGLE-BOOKS

Der koloniale Blick – Afrika – Leipzig 1856
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