Kaffee-Welthandel und spekulative Börsengeschäfte

Viele Kaffee-Kontrakte werden an der Börse abgeschlossen. Die Londoner Börse ist federführend für Robusta, die New Yorker Börse für Arabica. Kaffee ist dabei häufig Spekulationsobjekt. Das Volumen der Hin- und Her-Verkäufe übersteigt den Wert des real existierenden Kaffees um bis das Zehnfache.

Der Kaffee wird also nicht real als Produkt gehandelt. Es sind reine „Waren-Termingeschäfte“, wie es in der Börsensprache heißt. Eine bestimmte Menge Kaffee kann auf diese Weise 10 mal den Besitzer wechseln, bis dann der letzte in der Kette den Kontrakt tatsächlich einlöst und den Kaffee endgültig kauft.

Das sind typische Spekulationsgeschäfte, eine Blase, die z.B. bei schlechtem Kaffee-Wetter in Brasilien oder dort drohender Frostgefahr den Preis sofort nach oben treibt. Ist eine Überproduktion in Sicht, wird an der Börse auf fallende Kurse gewettet, genau wie bei allen anderen Rohstoffen.

Pervers: Börse hofft auf Klimawandel und Bürgerkrieg

Zu welch perverser Spekulation die Börsengeschäfte führen zeigt folgende Meldung von „Investing.com“ vom Januar 2019. Der Kaffeepreis war damals auf einem historischen Tiefststand und der Autor hofft auf ein sinkendes Kaffee-Angebot durch Dürre:

[…] Die Hoffnung der Anleger beruht nun auf dem alle drei bis vier Jahre auftretenden Wetterphänomen „El Niño“, welches eine potenzielle Dürre in Brasilien im Januar oder Februar auslösen und die Kaffeeproduktion negativ beeinflussen könnte. […]
Anleitung für Spekulation mit Rohstoffen

Anleitung für Spekulation mit Rohstoffen

Ein weiteres Beispiel von der Website „Der Aktionär“. Unter der Überschrift
„Kaffee: Aktuelle Bodenbildung bietet attraktiven Long Einstieg“ konnte man dort lesen (30.06.2020):

[…] Kaffee wird von den meisten Menschen nicht nur gerne getrunken, sondern der Rohstoff ist bei Tradern auch aufgrund seiner hohen Volatilität sehr beliebt. Preisschwankungen von 50 Prozent und mehr in kurzer Zeit sind keine Seltenheit …
Mit einfach handelbaren Instrumenten und konkreten Handlungsempfehlungen können Sie Ihr Portfolio optimal ergänzen oder einen neuen Schwerpunkt setzen. Buchtipp: Rohstoff-Trading mit System.
Die Spekulation auf Rohstoffe gilt als die Königsklasse des Tradings. […]

Kaum gibts Bürgerkrieg,
schon haben wir eine Trading-Idee – Beispiel Kakao

Nachdem die soganannte Dotcom-Blase Anfang der 2000er Jahre geplatzt war begaben sich viele Investoren in den spekulativen Rohstoffhandel – unter anderem mit Kaffee und Kakao. Damals setzte auch der enorme Landraub in den Ländern des Südens ein. Das Alles unter dem Motto, daß Investoren eine vergessene Anlageklasse neu entdecken.

Das HANDELSBLATT vom 07. März 2003 schrieb:

Die Rohstoffpreise steigen. Investoren entdecken vergessene Anlageklasse neu

[…] Wir alle essen unsere Schokolade, unseren Kuchen und lassen uns den Kakao in Form von Mokka bei Starbucks mit Kaffee anreichern. Dass jedoch Kabafit für unsere Kinder mal zum Luxus werden könnte, daran glaubt niemand, denn im Supermarkt gibt’s ja noch genug.
Genau, doch was ist, wenn wir jetzt einen jahrelangen und schweren Krieg an der Elfenbeinküste  erleben?
Was ist, wenn von den 42% des weltweiten Bedarfs an Kakao, der bisher aus diesem einen Land kam, in Zukunft nur noch ein Teil dessen dort hergestellt werden kann? Ausgehend von einer konstanten Nachfrage würde dies wohl steigende Preise bedeuten. Und somit hätten wir schon eine Kapitalanlage oder Trading-Idee. […]

 

Jetzt wird es leider etwas kompliziert:

Regulierung des Welthandels durch die Internationale Kaffee Organisation (ICO)

Die ICO führt eine Statistik des Welthandels von 1990 bis heute, die öffentlich abrufbar ist (PDF): Kaffeestatistik der ICO – Historical Data. Auf dieser Seite sind auch andere langjährige Statistiken abrufbar. Siehe auch Navigationspunkt Kaffeeverbände.

Preise der 4 Qualitätsgruppen für Rohkaffee von Januar 2019 bis Januar 2021. Robusta dauerhaft niedrig, Arabica leicht erholt – Quelle ICO 2021-02

Die ICO ermittelt laufend den sogenannten ICO-Composite-Indicator-Preis. Das ist der Durchschnitt von 3 Arabica-Qualitäten und von Robusta (= insgesamt vier Gruppen von Kaffee-Qualitäten). Dieser Durchschnittspreis und die 4 Gruppen sind tagesaktuell bei der ICO einzusehen:     Siehe hier.  Das ist die Grundlage für die Börsen-Kontrakte. Die Daten sind allerdings selbst ein Abbild des Börsengeschehens.

Die Internationale Kaffee Organisation (ICO) führt eine Liste, in der alle angeschlossenen Länder nach den Hauptprodukten Arabica oder Robusta gelistet sind. Außerdem unterscheidet die ICO die Länder nach den 4 Qualitätsgruppen – Columbian Milds sind die hochwertigsten und teuersten – Robusta rangiert am untere Ende – siehe auch Grafik.

Regelmäßg wird ein Prozentsatz für jede Gruppe festgelegt, der dazu dient, den ICO-Durschschnittspreis zu berechnen, weil nicht jede Gruppe mit demselben Volumen gehandelt wird. Die Gruppe „Columbian Milds“ z.B. ist die hochwertigste, geht aber nur zu 12% in die Durchschnittsberechnung ein.

Die meisten Länder sind in der Robusta-Gruppe eingestuft: Hauptsächlich in Westafrika und Asien und natürlich Vietnam als zweitgrößter Kaffeeproduzent überhaupt.

Die 4 Kaffee-Qualitäts-Gruppen im Einzelnen – Prozentsätze und Länder :

4 Gruppen →Columbian MildsOther MildsBrazilian NaturalsRobusta
Welthandel nach den 4 Kaffee-Qualitätsgruppen

Colombian Milds: 12% – in den Ländern:

Kolumbien, Kenia, Tanzania

Other Milds: 21% – in den Ländern:

Bolivia, Burundi, Costa Rica, Cuba, Dominican Republic, Ecuador, El  Salvador, Guatemala, Haiti, Honduras, India, Jamaica, Malawi,  Mexico, Nepal, Nicaragua, Panama, Papua New Guinea, Peru,  Rwanda, Venezuela, Zambia and Zimbabwe

Brazilian Naturals: 30% – in den Ländern:

Brazil, Ethiopia, Paraguay Timor-Leste and Yemen

Robustas: 37% – in den Ländern:

Angola, Benin, Cameroon, Central African Republic, Congo Dem.  Rep. of, Congo Rep., Côte d’Ivoire, Equatorial Guinea, Gabon,  Ghana, Guinea, Guyana, Indonesia, Lao, People’s Dem. Rep.,  Liberia, Madagascar, Nigeria, Philippines, Sierra Leone, Sri Lanka,  Thailand, Togo, Trinidad & Tobago, Uganda and Vietnam

Zusätzlich listet die ICO folgende Länder, die sowohl Arabica als auch Robusta produzieren – Brasilien produziert z.B. hauptsächlich „Brazilian Naturals“ (linke Spalte), aber in zweiter Linie eben auch „Robustas“ (rechte Spalte). In den Tabellen des Welthandels bei der ICO findet man das als Abkürzung hinter dem jeweiligen Ländernamen. Zum Beispiel: Brasilien A/R – das meint dann hauptsächlich Arabica und in zweiter Linie Robusta.

ICO-Tabelle:

Erzeugerländer mit Arabica und Robusta als Haupt und Nebenprodukte

Country Traditional output grouped under 2nd output grouped under
Brazil Brazilian Naturals Robustas
Burundi Other Milds Robustas
Cameroon Robustas Other Milds
Congo Dem. Rep. of Robustas Other Milds
Dominican Republic Other Milds Robustas
Ecuador Other Milds Robustas
Guatemala Other Milds Robustas
India Other Milds Robustas
Indonesia Robustas Other Milds
Madagascar Robustas Other Milds
Mexico Other Milds Robustas
Papua New Guinea Other Milds Robustas
Philippines Robustas Brazilian Naturals
Tanzania Colombian Milds Robustas
Thailand Robustas Brazilian Naturals
Timor-Leste Brazilian Naturals Robustas
Uganda Robustas Other Milds
Vietnam Robustas Brazilian Naturals

 


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