Kaffeegeschichte ist ein kulturhistorisches Gesamtkunstwerk
Der Kaffeehistoriker Steven Topik von der University of California, Irvine, schreibt:
„Warum gerade Kaffee? Man könnte meinen, dass die theoretische Betrachtung der Weltgeschichte durch die Kaffeebrille den Gegenstand eher verdunkelt – aber das ist kein ,Kaffee-Fetischismus‘ oder gar der Versuch trendy zu sein im Sinne einer ,Starbucks-Revolution‘. Kaffee als Ware ist einer ernsthaften Betrachtung wert, weil er über Jahrhunderte hinweg seinen zentralen Platz in der Weltökonomie und im Leben von Millionen Menschen nachhaltig bewahrt hat … im Grunde haben ihn immer die armen Länder für die reichen produziert.“ (Topik/Clarence-Smith: The Global Coffee Economy in Africa, Asia and Latin America, 1500–1989, Cambrige University Press, New York 2003, Seite 2, eigene Übersetzung)
Von Äthiopien zum Anbau im Jemen
Bis 1720 kontrollierte der Jemen den Welthandel mit Kaffee. Die Kolonialmächte tummeln sich mit ihren Schiffen im Hafen von Mokka. Von dort beziehen sie Kaffee, handeln mit ihm im Indischen Ozean und importieren ihn nach Europa. Die Holländer besorgen sich heimlich Pflanzen und keimfähigen Samen. Sie sind die ersten, die ihn in ihren asiatischen Kolonien anbauen.
Große Themen kennzeichnen den Weg des Kaffees:
Ökonomie, Ökologie, Politik, Kultur und
als „soziales Getränk“ im Alltag:
- Kaffee ist Teil von Kolonialismus und Imperialismus.
- Er ist verwoben mit Sklaverei und Sklavenhandel.
- Er steht für frühe Globalisierung und Agrobusiness.
- Kaffeehäuser waren und sind neue „öffentliche Orte“ in Orient und Okzident.
- Kaffee ist Symbol für Opposition, Kritik und Revolution.
- Kaffee steht für Kommunikation und Geselligkeit.
- Er ist „Cash-Crop“ für die Exportbilanz der Entwicklungsländer.
- Er ist ein wichtiges Exportprodukt der Länder des Südens.
- Kaffee ist Teil von Börsenspekulation mit Agrargütern, von Warentermin- und Derivatehandel.
- Er markiert das Elend der Kaffeebauern und damit Formen des Neokolonialismus.
- Er war und ist das Leitprodukt des FairenHandels.
- Klimaveränderungen bedrohen den Kaffeeanbau – Wildkaffee wird seit 2018 auf der Internationalen Roten Liste als „gefährdet“ eingestuft. Umgekehrt bedroht Kaffeeanbau aber auch das Weltklima durch Erschließung neuer Felder und Plantagen mittels Waldrodung.
Das Getränk
Kaffee war als Getränk stets Begleiter aller Denker, Revoluzzer und Widerständigen und Oppositionellen. Die Kaffeehäuser galten immer als die „Pflanzstätten des Aufruhrs“. William Ukers schreibt 1935 in seinem Klassiker „All about Coffee“:
„Wo auch immer er eingeführt wurde, bedeutet er Revolution. Er war das radikalste Getränk der Welt, weil seine Funktion stets darin bestand, die Menschen zum Denken zu bewegen. Und wenn die Menschen anfingen zu denken, wurden sie den Tyrannen gefährlich.“
Seit dem 16. Jhdt. nahm der Fortschritt immer erst im Kopf Gestalt an. Dabei war das Kaffeehaus ein unverzichtbarer Ort und Kaffee war die Geistesnahrung. So kann die Kultur des Kaffeetrinkens auch als kleiner Teil der Sozial- und Kulturgeschichte der Moderne gelesen werden.
Vom Verbot zum Weltgetränk
Kaffee war in Europa nicht von Anfang an willkommen. Genau wie bei seiner Eroberung der islamischen Welt wurden religiöse, weltanschauliche und ökonomische Gründe gegen ihn ins Feld geführt.
- Kaffeeverbote im Islam des 16. und 17. Jahrhunderts
- Unterdrückung der Kaffeeschenken als „Seminaris of Insurrection“
unter Charles II. in England (17. Jhdt.) - Umfassender staatlicher Spitzeleinsatz und Schließung Pariser Cafés
vor und nach der Revolution (18. Jhdt.) - Kaffeeverbote unter Friedrich dem Großen und in anderen deutschen
Landen und im übrigen Europa (18. Jhdt.)
Trotzdem eroberten sich der Kaffee und seine Häuser einen festen Platz im Alltag der Menschen weltweit.