Kaffee in Deutschland

Deutschland spielt eine wichtige Rolle im globalen Kaffeegeschäft, sowohl beim Import grünen Rohkaffees, beim Rösten, beim Export des gerösteten Kaffees in andere Länder als auch beim Endkonsum. Auf dem deutschen Kaffeemarkt agieren die wichtigsten Global Player.

Einführung und Überblick zu den verschiedenen Themen:

Umsatz mit Kaffee 2019:
Knapp 20 Milliarden Euro in Deutschland

Die Grafik zeigt nur Röstkaffee, dabei fehlt der lösliche Kaffee. Der Gesamt-Umsatz für 2019 inklusive Instant wurde nach Abschluß des Jahres von STATISTA auf 19.9 Millarden € beziffert.

Die Grafik zeigt nur Röstkaffee, dabei fehlt der lösliche Kaffee. Der Gesamt-Umsatz für 2019 inklusive Instant wurde nach Abschluß des Jahres von STATISTA auf 19.9 Millarden € beziffert.

Rund 25 Prozent, also 5 Mrd. € dieser 20 Mrd. € geben die Konsumenten in Supermärkten und im Online-Handel für ihren Kaffee aus, den sie zu Hause trinken. Man glaubt es kaum, aber die restlichen 15 Milliarden sind der Umsatz im sogenannten Außer-Haus-Bereich: Coffee-Shops, Bahnhöfe, Flughäfen, Tankstellen, Restaurants und Hotels, Büros und Betriebe – häufig im umweltschädlichen Coffee-to-go-Becher. Dieser Bereich generiert die meisten Gewinne. Mit 1/5 der Kaffeemenge wird so 3/4 des Kaffee-Umsatzes erzielt. Das nennt die Kaffeebranche „Premiumisierung“ – gemeint ist ein geschicktes Marketing, wie man aus wenig Kaffee den meisten Gewinn macht (siehe Grafik – Der Umsatz für 2019 in Deutschland wurde nach Abschluss des Jahres von STATISTA auf 19.9 Milliarden € beziffert.)

Ähnlich verhält es sich mit Kaffee in Kapseln und Pads. Bei besonders teuren Kapseln, etwa von Nespresso oder Illy, ergeben sich Kilopreise von bis zu 80 Euro.

Absoluter Verbrauch sinkt – Umsatz steigt. Wie geht das?

Rohkaffee-Preise sinken, der Umsatz mit Kaffee steigt. Obwohl durschnittlich weniger Kaffeemenge in der Tassee landet.  Globale Zahlen laut STATISTA 2019.

5,8 kg verbrauchte jeder Deutsche im Durchschnitt 2019. 2012 lag diese Menge noch um 400 g höher bei 6,2 kg. Die Gesamtumsätze steigen jedoch trotz weniger Menge mit schöner Regelmäßigkeit. Wir bezahlen also jedes Jahr mehr Euro für immer weniger Kaffee. Das gilt genauso für Deutschland wie international. Gleichzeitig erhalten die Erzeugerländer und die kleinen Kaffeefarmer:innen seit Jahren immer geringere Preise – siehe Grafik der globalen Entwicklung.

Röster und Marken –
immer größer und mächtiger durch Milliarden-Aufkäufe

Die größten Player in Deutschland sind auch international ganz groß:

JDE-Peet’s
heißt mittlerweile die bekannte JACOBS-Marke – Nr. 2 der Weltrangliste nach Nestlé und die Nummer 1 auf dem deutschen Markt. JDE bedeutet Jacob-Douwe-Egberts und diese Marke wurde mit dem US-Röster Peet’s verschmolzen. Der Kaffee-Konzern ging im Frühjahr 2020 in Holland an die Börse und hat eine Marktkapitalisierung von 16 Milliarden €. Auch TASSIMO (Kapseln), SENSEO (Pads) und KaffeeHAG gehören dazu. Die Marke ONKO wird offenbar nicht mehr angeboten. Unter der Marke JACOBS werden auch Nespresso-kompatible Kapseln angeboten. Außerdem produziert und vertreibt JDE-Peet’s in Deutschland die Edel-Marke Illy aus Italien u.a. in Kapseln fürs Nespresso-System.

JDE-Peet’s gehört der JAB-Holding der reichsten Familie Deutschlands, den Reimann-Geschwistern. Über 60 Miliarden € hat die JAB-Holding seit 2012 weltweit in den Kauf strategischer Marken und Firmen nur im Kaffeebereich gesteckt.

TCHIBO
ist die wohl bekannteste Marke in Deutschland und profitiert auch vom Außer-Haus-Bereich mit seinen vielen Shops, in denen alles Mögliche außer Kaffee angeboten wird. Trotzdem spielt Tchibo nur die zweite Geige nach dem Marktführer Jacobs. EDUSCHO gehört auch zu TCHIBO. Der Konzern hat bedeutende Märkte in Ost-Europa und steigt 2020 gerade in den amerikanischen Markt ein. Die führende Holding heißt MAXINVEST, der auch die Firma Beiersdorf gehört (Nivea, Tesa, Labello).

Markenpolitik: Altes Design, neuer Konzern. NESTLÉ-Produkte

NESTLÉ
ist der Weltmarktführer und und verdient gut an seiner Instant-Marke NESCAFÉ (löslicher Kaffee) und seinem Kapsel-Premiumprodukt NESPRESSO mit George Clooney als Werbe-Ikone. Viele Wettbewerber stellen Nespresso-kompatible Kapseln her, weil nach dem „Kapselkrieg“ das alte Patent auslief.
DOLCE GUSTO Kapseln gehören auch zu Nestlé, sowie CARO-Kaffee und die alte Marke LINDE’S Getreidekaffee. Außerdem hat NESTLÉ 2018 den Einzelhandels-Vertrieb für alle STARBUCKS-Marken für 7 Milliarden Dollar übernommen – das umfasst ganze Bohnen, gemahlenen Kaffee, Starbucks in der Nespresso-Kapsel und als Kaltgetränk in der Kühltheke. Das letzte ist übrigens ein schnell wachsender Bereich.

LAVAZZA
bedient ein Premiumsegment mit ganzen Bohnen für Kaffee-Automaten – mit schnell wachsender internationaler Bedeutung – Nr. 6 der Global Player.

MELITTA, DARBOVEN und DALLMAYR
versuchen in allen Segmenten etwas abzugreifen.
Melitta ist dazu noch im Bereich Kaffee-Service/Maschinen besonders aktiv. Die Melitta-Groupe liegt von der verarbeiteten Menge her unter den ersten zehn Global-Playern (Geschäftsbericht 2019 – 170.000 t Absatz).

ALDI – Markus-Kaffee
ALDI Nord und Süd haben zwei große eigene Röstfabriken in Mülheim/Ruhr und bei Bremen. Bei ihnen spielt die eigene Kaffeemarke MARKUS häufig die Rolle des billigen Schnäppchens: „Heute gehn wir mal zu Aldi, die haben gerade billigen Kaffee“.

Schnäppchenmärkte:
LIDL, REWE, EDEKA (+ NETTO),
REAL (Seit 2020 SCP – ein russischer Investor))
Kaffee als quersubventioniertes Schnäppchen und Lockvogel ist überall präsent. Dadurch verlieren die Konsumenten jegliche Wertschätzung für das Produkt. Regelmäßig zu Ostern oder Weihnachten gibt es Sonderangebote. Alle Supermärkte und Discounter haben auch Eigenmarken – oft im untersten Preissegment –, die sie irgendwo produzieren lassen.

Die Firma KRÜGER
produziert Instantkaffee aus billigstem Robusta (aus Vietnam) und ist bei allen Discountern und Supermärkten präsent.

Wer gerne zu MÖVENPICK-Kaffee
aus der Schweiz greift, der sollte sich klar darüber sein, dass er damit Haupt-Investor und AfD-Sympathisant August von Finck Junior unterstützt, ein Milliardär aus Bayern.

 

Die Neumann Kaffee Gruppe in Hamburg – weltgrößter Rohkaffeehändler

Die „Neumann Kaffee Gruppe“ mit Sitz in Hamburg gilt als globaler Marktführer im Rohkaffeehandel. Es dürfte kaum eine Kaffee-Packung in Deutschland geben, die nicht wenigstens zum Teil Neumann-Kaffee enthält. Die Firma betreibt auch eigene Kaffeeplantagen, z.B. in Brasilien und in Uganda. Dort wird Massenware produziert. Die Tochter „InterAmerican Coffee“ bedient aber auch den wachsenden Qualitätsmarkt. Hier spiegelt sich die sogenannte „Premiumisierung“ im Endverbraucherbereich im Rohkaffeemarkt wider. Neumann entstand aus dem Zusammenschluss und Aufkauf verschiedener Kaffeehändler in Hamburg und international. Wie bei allen Firmen wird versucht, ein nachhaltiges und grünes Image aufzubauen, z.B. durch die Hanns R. Neumann-Stiftung und verschiedene Einzelprojekte.

Vertreibung für Kaffee-Plantage in Uganda

In Uganda ging das allerdings gründlich schief. Die Plantage dort bekam die Firma 2001, verbunden mit der Vertreibung von rund 4.000 ortsansässigen Ugandern. Die ugandische Armee räumte das Gelände für den ausländischen Investor mit brutaler Gewalt. Bis heute streiten die Vertriebenen vor Gericht für Entschädigungen – die Firma behauptet nichts von einer Vertreibung bemerkt zu haben. Ausdrückliche Rückendeckung für dieses Investment bekam Neumann vom ehemaligen FDP-Außenminister Dirk Niebel, der sich öffentlich hinter Neumann stellte und alle Kritik zurückwies. Die deutsche Organisation FIAN begleitet diesen Fall seit 2003 und steht den Vertriebenen zur Seite – mit finanziellen Mitteln, rechtlicher Beratung und ausdauernder Öffentlichkeitsarbeit. Regelmäßig erscheinen Presseberichte und Dokumentationen. Der Filmemacher Michael Enger aus Hamburg dokumentiert den Fall regelmäßig mit Beiträgen, die u.a. bei Phönix und Deutsche Welle zu sehen sind.

 

Die Café-Ketten locken mit Ambiente und Atmosphäre

McCAFE hat bei weitem die meisten Filialen in Deutschland, dann folgen TCHIBO, SEGAFREDO, COFFEE-FELLOWS und STARBUCKS. COCA-COLA hat die große Kette COSTA aus England übernommen und versucht damit in Deutschland Fuß zu fassen. DUNKIN-DONUTS hat weltweit 21.000 Stores und begegnet uns auch hier in Deutschland; es wurde 2020 für 9 Milliarden $ an einen Investor verkauft, der damit JDE-Peets und Starbucks in USA Konkurrenz machen will.

Der von Starbucks zum globalen Trend beförderte Lifestyle der Kaffeehauskultur zielt direkt aufs limbische System, also den Teil des Gehirns, der uns unsere Wünsche, Sehnsüchte und Träume liefert. Man konsumiert dann mehr als nur ein Getränk. Mit jedem Schluck verschafft man sich die gewünschte Identität, man wird Teil der Starbucks-Community. Und dafür zahlt man dann auch gepfefferte Preise. Dieses Psycho-Marketing im engem Schulterschluss mit gnadenloser Profitmaximierung wurde am Beispiel Starbucks schon sehr früh von Naomi Klein in ihrem Bestseller NO LOGO! beschrieben.

Das Marken-Branding von Starbucks wurde zur Blaupause für alles, was danach von Anderen veranstaltet wurde – jeder Investor konnte an diesem Vorbild sehen, wie man den jungen Millenials das Geld aus der Tasche ziehen konnte. Coffee goes Hype!

 

Konsum & Trends – der Barista als King of Coffee

Vergleichbar zu Wein hat sich in den letzten Jahren eine sehr differenzierte Wahrnehmung von Kaffee-Sorten, Herkunftsländern und Anbaugebieten entwickelt. Sehr begrüßenswert, wenn nicht auch hier das kommerzielle Kalkül bizarre Blüten treiben würde. Zubereitungs-Kreationen vom BARISTA erhalten dabei den gleichen Rang wie vordem nur die Gerichte von Sterneköchen. Bis zum Erbrechen wird der Barista als der eigentliche „King of Coffee“ inszeniert. „Schonend geröstete Bohnen“ werden von ihm zelebriert und zu kunstvollen Kreationen mit Milchschaum verziert. Die Kaffeefarmer:innen sind in Werbespots als lächelnde Exoten nur kurze Einblendungen wert. Handgepflückt und sonnengereift. Aus bester Lage. Sorgfältig ausgewählte Raritäten. Pausenlos gibt es neue Zubereitungsarten. Auf der Website von „Blue Bottle“ (Nestle USA) liest sich das so: Aeropress, Chemex, Cold Brew, Pour Over, French Press, New Orleans-style Iced, Siphon, Bialetti Moka Pot, Espresso, Nel Drip, The Blue Bottle Pour Over. Zur letzten Methode wird das passende „Blue Bottle Welcome-Kit“ angeboten.

Parallel sind wieder viele kleine lokale Röster und Shops entstanden, die eine ehrliche und authentische Arbeit machen. Teilweise haben sie unabhängig vom organisierten FairenHandel direkte Beziehungen zu Kaffee-Farmer:innen aufgebaut, von denen sie ohne Umwege Ware beziehen. Die dabei bezahlten Preise sind z.T. höher, was aber auch mit den hier gehandelten Premium-Sorten zu tun hat.

 

FairerHandel – oder Pseudo-Labels?

Gütesiegel und sogenannte Labels werden von Herstellern zur Aufhübschung ihrer jeweiligen Marke gerne eingesetzt. Die meisten davon sind sehr kritisch zu betrachten – sie werden benutzt, um bestimmte Käuferschichten anzusprechen.

 

Die Kaffeesteuer – eine deutsche Spezialität

Die deutsche Kaffeesteuer ist einzigartig in Europa. Sie beträgt 2,19 € auf das Kilogramm gerösteten Kaffees. Für das kg löslicher Kaffee ist sie höher, weil darin anteilmäßig viel mehr konzentrierter Kaffee enthalten ist, sie beträgt 4,78 € pro kg. Historisch geht die Steuer auf Friedrich II. im 18. Jhdt. zurück, der den Kaffeekonsum der „unteren Schichten“ aus Devisengründen drastisch begrenzen wollte. Nach dem 2. Weltkrieg gab es bis 1953 auch eine sehr hohe Kaffeesteuer, wodurch ein enormer Schmuggel an der deutsch-belgischen Grenze einsetzte – der soganannte „Kaffee-Krieg“.

Der FaireHandel fordert die Aussetzung der Kaffeesteuer für fairen Kaffee, um ihn wettbewerbsfähiger zu machen.

 

1977 Kaffeekrise in der DDR – die deutsch-deutsche Kaffeegeschichte

Wie überall auf der Welt hat sich Kaffee als „Wohlstandsindikator“ auch in Deutschland etabliert. Nach dem 2. Weltkrieg galt das für beide deutsche Staaten. Die damalige BRD hatte besseren Zugang zu den Kaffee-Rohstoffmärkten und konnte mit der entwickelten Kaffeeindustrie gegenüber der DDR auch mit Qualität punkten. 1971 geriet die DDR in eine Devisenkrise, die sich drastisch auf deren Kaffeemarkt auswirkte. Rohkaffee war zu teuer und wurde durch Kaffee-Ersatzprodukte gestreckt. Weil durch die „Päckchen nach drüben“ die westdeutsche Marke „Jacobs Krönung“ sehr beliebt war, erhielt das DDR-Produkt den spöttischen Namen „Erichs Krönung“ – nach dem damaligen Staatschef Erich Honnecker.

 

Kurze Kaffeegeschichte Deutschlands

Die Kaffee-Geschichte Deutschlands begann mit den Berichten von Orientreisenden, die die Kunde vom Kaffee im 16. Jahrhundert verbreiteten. Hundert Jahre später etablierten sich Ende des 17. Jhdts. die ersten Cafés in Städten wie Hamburg, Bremen, Nürnberg, Leipzig, Würzburg und Regensburg. Anfangs Luxusgetränk des Adels, wurde das neue Getränk bald „Nahrungsvortäuscher für arme Bauern und Handwerker“, wie es H.E. Jacob beschrieb.

Mini-Kaffeetüte der Firma Mannebach in Mönchengladbach nach dem 2. Weltkrieg.

Mini-Kaffeetüte der Firma Mannebach in Mönchengladbach nach dem 2. Weltkrieg.

Friedrich der II. verbot den Kaffee wegen Verschwendung von Devisen, die er lieber in die Äufrüstung seiner Armee investiert sah – auf ihn geht die heutige Kaffeesteuer zurück. Später führte Napoleons Kontinentalsperre zu einem enormen Schmuggel, genau wie nach dem 2. Weltrkieg, weil bis 1953 Kaffee sehr hoch besteuert wurde.

Als Aufputschmittel und probates Pausengetränk fand der Kaffee Eingang in die Fabriken der frühen Industrialisierung – das Proletariat wurde fit gemacht für den industriellen Arbeitsalltag. In den Kriegen 1870/71 und den beiden Weltkriegen des 20. Jhdts gab es immer Extra-Rationen für die Soldaten, auch wenn die „Heimatfront“ schon lange keinen mehr hatte.

In den 1950er Jahren setzte eine starke Konzentration in der Kaffeewirtschaft ein – tausende kleine Röstbetriebe verschwanden. 1990 gab es die erste „Espressobar“ in München und bald schon wurde der dröge Filterkaffee durch allerlei neue Kreationen ersetzt: Kaffee-Vollautomaten für zu Hause, Cappuccino, Latte usw. hielten Einzug. Die an Starbucks orientierte Coffee-Shop-Kultur wurde zum neuen Trend.


Top