Brasilien hat eine Sonderstellung, weil es das einzige Rohkaffee-Land ist, das auch einen sehr bedeutenden Inlandsmarkt für Kaffee hat. Es ist nach USA das zweitgrößte Konsumland. Laut STATISTA hat Brasilien 40 Milliarden Euro Umsatz mit Kaffee-Konsum gemacht (2019) – nicht gerechnet der Export des grünen Rohkaffees. Brasilien exportiert auch weltweit gerösteten Kaffee, davon viel in löslicher Form, also Instant-Kaffee.
Der Ertrag pro Hektar ist seit den 90er Jahren um das 4-fache gesteigert worden. Das geht auf Bewässerung, Pestizideinsatz, Dünger und maschinelle Ernte zurück.
Die mittleren bis großen Kaffeeplantagen, die maschinell abgeerntet werden, liefern 62% des Ertrags. Das ist ein hoher Anteil im Vergleich zu anderen Kaffeeländern. Drei Viertel des Kaffees ist Arabica, der Rest ist Robusta. Zum landesweiten Exportwert trägt Kaffee nur zu 3% bei. Der Anteil am Bruttosozialprodukt ist verschwindend gering mit 0,3%.
Brasiliens Problem mit dem Klimawandel
Dort wo der Blattrost auftritt, kann er bis zu 50% der Bäume vernichten. 2014 hatte Brasilien eine extreme Dürre-Periode, die zu 30% Ernte-Verlusten führte. Regen bis hin zu Unwettern kommt oft zur falschen Zeit und so kann die Blüh-Phase der Pflanzen beeinträchtigt werden. Besonders die maschinell betriebenen Großplantagen können nicht in höhere und steilere Lagen verlegt werden.
Nicht in meiner Kaffeetasse – Protest der Landlosenbewegung MST in Brasilien
NESTLÉ und ein brasilianischer Rohkaffee-Multi – 29 Nov 2018
Die Landlosen-Bewegung Movimento dos Trabalhadores Rurais Sem Terra (MST) in Brasilien hat eine weltweite Solidaritätskampagne gegen die internationalen Käufer:innen vom Groß-Kaffeeproduzenten João Faria lanciert – dazu gehört auch Nestlé.
João Faria könnte auch Mr. Coffee genannt werden: Er besitzt mehr als 20 Unternehmen in Brasilien und kontrolliert riesige Ländereien, auf denen er seinen Kaffee anbaut. Bereits 2008 stieg João Faria zum weltweit größten Einzel-Kaffeeproduzenten auf. Mit der Verarbeitung und Vermarktung seines Kaffees Terra Forte erreichte João Faria einen Anteil von rund 6,5% der gesamten Kaffeeexporte Brasiliens. Dabei ist der Schweizer Konzern Nestlé einer seiner größten Abnehmer.
Neben seinem Land in Minas Gerais befindet sich Quilombo Campo Grande. Dieses Land wurde von rund 450 Familien der MST besetzt. Das Land wurde von einem bankrotten Bauern verlassen. Die Familien bewirtschaften das Land auf ökologische Weise und bauen verschiedene biologische Kulturen an, darunter auch Kaffee. (…) Der Artikel wurde von MULTIWATCH aus der Schweiz verlinkt.
Beitrag auf NEWSCLICK in englischer Sprache
Spaltung des Weltmarktes
Der starke Einsatz von Agrar-Chemikalien in Brasilien und Vietnam als den beiden führenden Rohkaffee-Exportländern führt zu einer hohen Produktivität beim Ertrag pro Hektar (neben Pestiziden, Herbiziden und Dünger auch Bewässerung).
Seit 1990 gab es in Brasilien eine Steigerung von 8 Säcken pro Hektar auf 31 Säcke 2020! Manche Großplantagen werfen sogar 50 Säcke (je 60 kg) ab. In Vietnam ist man in der Spitze bei 125 Säcken! Siehe Artikel bei GlobalCoffeeReport
Die beiden Länder sind dadurch in der Lage, mit der gegenwärtigen Preiskrise (Schwankung um etwas über 1 Dollar) besser zurecht zu kommen als alle übrigen Länder. Das wird bereits als eine Art Spaltung des Weltmarktes für Rohkaffee beschrieben – die anderen Länder werden abgehängt.
Kaffee und Pestizide in Brasilien
Brasilien ist nach China und USA das Land mit dem weltweit drittgrößten Pestizideinsatz und mit ca. 30% die Nr. 1 bei der Kaffee-Welternte. Die Pestizide werden dort u.a. auf den großflächigen Plantagen im Kaffeeanbau eingesetzt. Die Ernte erfolgt industrialisiert mit Erntemaschinen. Deutschland ist einer der größten Abnehmer und Verarbeiter brasilianischen Kaffees – und einer der Haupt-Lieferanten von Pestiziden nach Brasilien. Zum Teil werden Pestizide dorthin geliefert, die in Europa oder Deutschland bereits verboten sind.
Im Newsletter der I.C.O. (Internationale Kaffeeorganisation) 2017-07 wird beklagt, dass das Pestizid ENDOSULFAN leider verboten wurde. In Deutschland ist es längst verboten. (Übersetzung a.d. Englischen Alex Kunkel):
[…] Berichte legen nahe, dass die Farmer in Brasiliens Arabica-Regionen des Erntejahres 2016/17, das gerade eingebracht wird, mit unerwartet niedrigen Erträgen zu rechnen haben.
Die Bohnen sind kleiner als normal wegen schlechter Wetterverhältnisse zu Beginn des Jahres. Das wird begleitet von beträchtlichen Schäden durch den Befall mit dem Kaffeekirschbohrer. Das Verbot des zwar schädlichen aber sehr effektiven Insektizides Endosulfan, das die Farmer früher benutzt haben, hat zur Ausbreitung dieser Kaffeepest beigetragen.
In den Hauptanbaugebieten sind davon bis zu 30% der Kirschen betroffen, was die Qualität mindert. Neben diesen Faktoren hat zuletzt der schwache Dollarkurs die Exportbedingungen des brasilianischen Kaffees auf dem Weltmarkt beeinträchtigt. […]
Der Freihandels-Pakt EU-Mercosur (Südamerika)
Eine Forscherin zum Freihandelsabkommen: „Es gibt einen Vergiftungskreislauf.“
Im Zuge des Freihandelsabkommens der EU mit den Mercosur-Staaten warnt Larissa Mies Bombardi vor dem sorglosen Umgang Brasiliens mit Pestiziden – Interview von Sandra Weiss – Vollständiger Artikel in DER STANDARD (Wien)
Picked by slaves: coffee crisis brews in Brazil – 12 December 2019
Ausführlicher Artikel zu Sklavenarbeit auf brasilianischen Kaffeeplantagen von der Thomson Reuters Foundation (englisch)
RÖSTER-Video zu Kaffee und Pestiziden in Brasilien
Ein neues Video aus meinem Kaffee-Workshop im KaffeeGartenRuhr. Es behandelt die Doppelstandards beim Pestizid-Export aus Europa in Länder des globale Südens hier im Beispiel Brasiliens. Das Video ist ein Zusammenschnitt aus zwei TV-Beiträgen von 2005 und 2013 mit aktuellen Einblendungen zur Kampagne „Giftexporte Stoppen!“
Laufzeit 9:22min