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„Textilbündnis“ gescheitert – NGOs und Vereine kündigen Mitgliedschaft

„Textilbündnis“ gescheitert – NGOs und Vereine kündigen Mitgliedschaft

Allerorten wird mit "Multi-Stakeholder-Initiativen", an denen auch kritische NGOs beteiligt sind, vorgegaukelt, daß sich in den Lieferketten des globalen Nordens wirklich etwas im Sinne der Produzent:innen ändert. Häufig handelt es sich dabei aber um wohlfeile PR-Veranstaltungen womit sich die Industrie ein grünes Mäntelchen umhängt. Im "Textilbündnis" haben nun viele den Rückzug angetreten.

TAGESSCHAU-online im Dezember 2021:

„Zwei christliche Vereine treten aus dem „Bündnis für nachhaltige Textilien“ aus. Sie monieren, dass sich die Arbeitsbedingungen der Branche seit der Rana-Plaza-Katastrophe vor sieben Jahren kaum verbessert hätten. Die Bedingungen für die Beschäftigten in der Textilindustrie Ostasiens gelten seit langem als problematisch. Um sie zu verbessern, haben rund 130 Unternehmen, Verbände, Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisationen und die Bundesregierung ein „Bündnis für nachhaltige Textilien“ gegründet […]  Die Hersteller wollten sich auf Anfrage von tagesschau.de dazu nicht äußern.“

Kampagne Sauber Kleidung

Kampagne Sauber Kleidung

März 2022: Zivilgesellschaft zieht Konsequenzen

Die „Kampagne für Saubere Kleidung“
verläßt ebenfalls das Textilbündnis.

Damit verlassen 18 Organisationen der Zivilgesellschaft das gescheiterte Bündnis. In ihrer Erklärung dazu heißt es:

Ohne uns! Nach mehr als sieben Jahren der Mitgliedschaft im Bündnis für nachhaltige Textilien (Textilbündnis) hat die Kampagne für Saubere Kleidung Deutschland heute ihren Austritt erklärt.

Wir wollen und können das Bündnis nicht länger durch unsere Mitgliedschaft legitimieren. Denn die Bilanz ist ernüchternd. Das Textilbündnis kann keine Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den globalen Bekleidungslieferketten nachweisen – obwohl es mit genau diesem Versprechen 2014 angetreten war. Ein Beispiel: Die viel zu niedrigen Löhnen. Hier verweigerte sich der Großteil der Mitgliedsunternehmen – darunter Aldi Nord und adidas – jeglichem Engagement.

Seit Jahren fordern wir von den Marken- und Einzelhandelsunternehmen andere Einkaufspraktiken: Sie sollen ihren Lieferanten höhere Preise zahlen, um existenzsichernde Löhne für die Beschäftigten in ihren globalen Lieferketten sicherzustellen. Das Textilbündnis hat dazu bisher keine messbaren Ergebnisse geliefert. Wir bleiben dran und werden uns mit unserer Kampagnenarbeit weiter für verbindliche unternehmerische Sorgfaltspflichten, existenzsichernde Löhne, soziale Absicherung und Arbeitsrechte einsetzen! Mehr Infos zum Austritt gibt’s in der Pressemeldung der Kampagne Sauber Kleidung

 

Die „Christliche Initiative Romero“ bilanziert:

Nach jahrelanger und zeitweise intensiver Mitarbeit verlassen wir anlässlich des Tags der Menschenrechte (10. Dezember) das Bündnis für nachhaltige Textilien. Die Arbeitsergebnisse sind ernüchternd und die Fortschritte nicht ausreichend.
Christliche Initiative Romero im Web

Die ausführliche Begründung:

Das Bündnis für nachhaltige Textilien wurde im Oktober 2014 als Reaktion auf tödliche Unfälle in Textilfabriken in Bangladesch und Pakistan vom damaligen Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller gegründet. Es hatte sich zum Ziel gesetzt, die Bedingungen in der weltweiten Textilproduktion zu verbessern. Das Bündnis besteht nun seit über sieben Jahren und in der Summe ist festzustellen, dass es weit hinter seinen Zielen zurückgeblieben ist. Vor allem der aus unserer Sicht mangelnde Einsatz der Mitgliedsunternehmen entspricht nicht den Erwartungen, mit denen wir dem Textilbündnis beigetreten sind.

„Schmerzlicher, aber längst überfälliger Schritt“

Die Christliche Initiative Romero e.V. (CIR) und das Amt für Mission, Ökumene und Kirchliche Weltverantwortung der Evangelischen Kirche von Westfalen (MÖWe) haben sich nach Kräften und mit hohen personellen Ressourcen über Jahre im Textilbündnis engagiert. Die Ergebnisse sind ernüchternd, weshalb CIR und MÖWe entschlossen haben, anlässlich des Tags der Menschenrechte am 10. Dezember 2021 ihren Austritt bekanntzugeben. „Das ist für uns ein schmerzlicher, aber überfälliger Schritt nach langer, zeitweise intensiver Mitarbeit im Textilbündnis“, sagt Sandra Dusch Silva, Referentin für Kleidung bei der CIR. „Vor allem die Unternehmen bleiben weit hinter dem zurück, was wir als Zivilgesellschaft erwarten.“

Folgende Gründe haben zu dieser Entscheidung geführt:

Bündnis-Initiativen sollten in ausgewählten Produktionsländern zu spezifischen Themen Umsetzungsschritte erproben, z. B. zu existenzsichernden Löhnen. Diese Möglichkeit hat nur eine verschwindende Minderheit der Bündnis-Unternehmen wahrgenommen. Die Erreichung von existenzsichernden Löhnen war von Beginn an eines der Kernziele. Nach sieben Jahren hat die Arbeit des Textilbündnisses vor Ort zu keiner einzigen Verbesserung geführt. An einem nun startenden Living-Wage-Lab wollen sich von den 70 Mitgliedsunternehmen nur 12 beteiligen. ALDI Nord gehörte zunächst dazu, ist aber nach zwei Monaten Mitarbeit wieder ausgetreten. Dass namhafte Konzerne wie Adidas, C&A, Gerry Weber oder Seidensticker sich von vorneherein nicht an dieser Initiative beteiligt haben, verdeutlicht, wie schwach und unzuverlässig das Engagement relevanter Mitgliedsunternehmen beim Thema Existenzlöhne ist.

Fehlende Berichterstattung und Wirkungsmessung

Im Zuge der Corona-Pandemie haben auch Bündnis-Unternehmen die Lasten auf ihre Zulieferbetriebe und damit auf die Arbeiter*innen abgeschoben. Bestellte und schon produzierte Waren wurden nicht abgenommen, Bestellungen wurden annulliert. Die Verantwortung für die Schwächsten in der Pandemie wurde nicht oder von einigen erst im Nachgang wahrgenommen.
Es gibt immer noch große Unternehmen, die den Review-Prozess nicht abgeschlossen haben. Gerade diese sollten in der Lage sein, menschenrechtliche Sorgfaltspflichten umzusetzen und darüber transparent zu berichten. Relevante Mitglieder wie H&M, Primark oder Puma haben ihre Berichtspflicht 2021 immer noch nicht erfüllt.
Eine aussagekräftige Wirkungsmessung der Maßnahmen der Unternehmen ist essentiell, auch für die Glaubwürdigkeit des Bündnisses. Eine solche gibt es aus Mangel an Beteiligung der Unternehmen nicht. Die Datenlage ist höchst unbefriedigend.

Bangladesh-Accord-Folgeabkommen nicht von allen unterzeichnet

Es gibt immer noch keine aussagekräftige Transparenz im Blick auf die Lieferketten. Nur wenige Bündnis-Unternehmen legen ihre Lieferketten in aggregierter Form vor, obwohl dies keine unternehmenssensiblen Daten beinhaltet.
Für die Mitgliedsunternehmen im Textilbündnis müsste die Unterzeichnung des Bangladesh-Accord-Folgeabkommens eine Selbstverständlichkeit sein, auch weil es die Katastrophe betrifft, die zur Gründung des Bündnisses geführt hat. Dies ist nicht bei allen Bündnis-Unternehmen der Fall. Dies zeigt, wie wenig ernst sie die Bündnisziele nehmen, wenn es um konkrete Umsetzung geht.
„Menschenrechte gibt es nicht zum Nulltarif und eine Mitgliedschaft im Textilbündnis darf nicht zum Freibrief für die Einhaltung unternehmerischer Sorgfaltspflichten verkommen“, sagt CIR-Referentin Sandra Dusch Silva. Vor allem bei den Kernthemen existenzsichernde Löhne, Einkaufspraktiken, die die Umwelt und die Menschenrechte achten, sowie Lieferkettentransparenz müssen Wirkungen vor Ort erzielt und von jedem einzelnen Mitgliedsunternehmen nachgewiesen werden. Dies ist dem Textilbündnis in den sieben Jahren seit seiner Gründung aus unserer Sicht nicht ausreichend gelungen.

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