JDE-Peets – früher Jacobs Douwe Egberts und KDP in USA
JDE-Peets ging Anfang 2020 an die Börse und ist dem Weltmarktführer Nestlé dicht auf den Fersen. Zusammen dürften sie über 40% des Weltkaffeemarktes beherrschen. Der Konzern ist über die JAB-Holding mit dem Kaffee-Giganten KeurigDr.Pepper (KDP) in USA verbunden.
JDE-Peets gehört der JAB-Holding und die wiederum einer der reichsten Familie Deutschlands, den Reimanns. Alle Kaffee-Investments der JAB-Gruppe belegen 68% des Portfolios (2022) – inklusive der Restaurant-Ketten, die wesentlich Umsatz mit Kaffee machen.
Alukapsel als Markenzeichen
Wer in Deutschland im Supermarktregal zu TASSIMO-Kapseln greift, zu JACOBS Krönung, zu SENSEO-Pads oder Kaffee-HAG, der ist Kunde bei den Reimanns. Um dem Marktführer Nestlé das Wasser abzugraben, wird die Nespresso-kompatible Jacobs-Alukapsel als was ganz Besonderes beworben. In Frankreich baut JDE seit 2020 eine neue Alukapselfabrik für 110 Millionen Euro.
Seit 2010 hat in der globalen Kaffeebranche ein enormer Konzentrationsprozess stattgefunden, an dem die JAB-Holding mit ihren Kaffee-Aktivitäten entscheidend beteiligt ist. Deshalb hier ein umfassendes Porträt dieser Entwicklung bezogen auf das JAB-Kaffee-Imperium (Dieser Beitrag wurde auch bei FREITAG-Community veröffentlicht hier)
Die Reimanns, Harf und ihre JAB-Holding
Coffee-to-Cash oder der diskrete Charme der Konsolidierung
Wer von Konsolidierung spricht, will Monopolist werden.
Eine der reichsten Familien Deutschlands sind die Reimanns mit 2021 geschätzen 29,5 Miliarden Euro Vermögen (Manager Magazin Reichenliste 2021, Rang 4). Ihre operative Schatztruhe ist die JAB-Holding mit Sitz in Luxemburg. Diese peilt eine jährliche Rendite von 15% an. Die hier zu berichtende Geschichte beginnt 2008 mit 5,5 Milliarden Euro und endet schließlich mit einer Vision auf 480 Milliarden bis 2030 – so der führende Manager Peter Harf im Spiegel-Interview.
Kaffee als Cash-Cow
Im Portfolio der JAB-Holding 2021 belegten die Kaffee-Firmen 50 Prozent. Rechnet man die Restaurant-und Snack-Ketten dazu, die das lukrative Ausser-Haus-Geschäft mit Kaffee bedienen, dann sind es sogar 68 Prozent (JAB-Investment-Letter 16.3.2022). Der Rest verteilt sich auf Tierkliniken und Luxusartikel (Coty, Bally).
Wer in Deutschland im Supermarktregal zu TASSIMO-Kapseln greift, zu JACOBS Krönung gamahlen, zu SENSEO-Pads, zu KAFFEE-Hag oder Jacobs-Kapseln fürs Nespresso-System, der ist Kunde bei Herrn Harfs Kaffeegigant JDE-Peet’s. Der ging im Juni 2020 in Amsterdam an die Börse. Dies macht JDE-Peet’s nach eigener Aussage zum größten „nur-Kaffee-Player“ auf dem Weltmarkt. Nur der Lebensmittel-Mischkonzern NESTLÉ ist mit seiner Kaffeesparte noch größer.
Sollte ein TAZ-Redakteur seinen Kaffee nicht in in der hauseigenen Kantine bestellen, sondern direkt schräg gegenüber des Berliner TAZ-Hauses im schicken „Espresso-House“, dann bezahlt er bei der JAB-Holding in der Sparte „Fast Casual Restaurants“.
Ein ehemaliger JAB-Manager im Handelsbatt (1.1.2018): „Kaffee bietet eine einmalige Chance. Bei Konsumgütern wie Schokolade oder Bier gibt es heutzutage drei bis vier multinationale Spieler je Kategorie. Nur bei Kaffee gab es allein Nestlé als weltweiten großen Spieler, der Rest der Branche war zersplittert.“
Das meint Marktbereinigung durch Konsolidierung und endet bei größerer Marktmacht. Siehe Google, Apple, Microsoft und Facebook.
Der globale Kaffeemarkt – 455 Milliarden Dollar
Der Umsatz im globalen Kaffeemarkt wird häufig unterschätzt. In vielen Artikeln findet man Zahlen etwas über 200 Milliarden Dollar. Selbst kritische Veröffentlichungen wie z.B. das „Kaffee-Barometer 2020“ (u.a. von OXFAM) nutzt die Zahlen des Ökonomen Jeffrey Sachs von der Columbia-University, der maximal 250 Milliarden angibt. Euromonitor gibt für 2018 200 Milliarden an (zitiert nach Manager Magazin 2.10.2019). Die Vermutung liegt nahe, dass dabei der weite Bereich des Außer-Haus-Umsatzes nicht korrekt erfasst wird.
Das Portal STATISTA hingegen bilanziert auch diesen Bereich in seiner Marktdefinition und kommt dementsprechend zu weit höheren Angaben, nämlich auf 433 Milliarden Dollar für 2022. Dabei macht STATISTA deutlich, dass die Kaffee-Kaltgetränke (Fachsprache: RTD – Ready-to-Drink) darin nicht enthalten sind. Die sind meist in Alu- oder Plastikbechern verpackt und stehen im Kühlregal. Sie sind ein wachsendes Segment. Das Portal „Fortune Business Insigths/Food and Beverages“ bilanziert die globalen Zahlen von RTD für 2019 auf 22 Milliarden Dollar. Alles zusammen würde das einen globalen Kaffeeumsatz von 455 Milliarden Dollar ergeben. Die Zahl harmoniert mit der Angabe im Freitag Nr. 20/2022 in dem Artikel „Monokulturen im Klimastress“, wo 465 Milliarden als aktuelle Zahl verwendet wird.
Bei der Berechnung, was davon in den Ursprungsländern des Kaffeeanbaus ankommt, ergeben sich entsprechend andere Prozentsätze: In einem aktuellen Paper zu Kaffee vom „Forum Fairer Handel“ werden 200 Milliarden Umsatz ins Verhältnis zu 19 Milliarden Einnahmen der Erzeugerländer gesetzt was dann ca. 10 Prozent Anteil der Erzeugerländer ergibt. Nimmt man die 455 Milliarden als Bezugspunkt, dann erhalten die Erzeugerländer nur noch 4,1 Prozent.
Luxemburg Leaks
2014 wurden die „Luxemburg-Leaks“ von einem Reporterteam veröffentlicht. Darin taucht die JAB-Holding mit einer dubiosen Transaktion von 5,5 Milliarden Euro auf. Der Batzen Geld wurde an einem einzigen Tag 2008 zwischen dem Steuerparadies der englischen Kanalinsel Jersey und Luxemburg transferiert. Weitere Transaktionen liefen über die Schweiz und die ebenfalls berüchtigte englische Kanalinsel Guernsey. „Alles Rechtsgebiete, die nicht für ihre Steuertransparenz bekannt sind und in denen in der Regel auch keine Bilanzen einsehbar sind“, wie es in damaligen Berichten hieß. Eine nachträgliche Recherche 2019 ergab, dass die JAB Holding in Luxemburg gute Steuerkonditionen erhielt: 2017 wurden bei einem Gewinn von 338 Millionen Euro gerade mal 1,1 Millionen Steuern bezahlt – das ist weniger als ein halbes Prozent!
Leider ist dieses „Geheimnis der großen Vermögen“ in Luxemburg völlig legal und kein „Verbrechen“, wie Balzac in ‚Vater Griot‘ schreibt. Aber es braucht genügend Geld, um dabei die geschickten Dienste der Beratergesellschaft PWC in Anspruch zu nehmen. Balzac scheint die Haltung der EU-Kommission vorausgeahnt zu haben: Bei ihr ist der Skandal um die Steuervermeidungs-Paradiese dem Vergessen anheimgefallen.
Das öffentliche Gesicht der Reimanns ist Peter Harf (Foto), Milliardär und Senior-Manager in der JAB-Holding, wo dieser Reichtum gebündelt wird. Peter Harf macht Cash mit Kaffee und das als Beauftragter von Menschen, die so garnicht in das Klischee gnadenloser Kapitalisten passen. Die Reimann-Familie lebt abgeschottet, es gibt kein einziges Foto und alle, auch die Nachkommen, werden per Gesellschafter-Vertrag auf Diskretion verpflichtet.
Also keine Jetset-Allüren, aber die Kohle muss stimmen.
Co-Investoren aus dem Gruselkabinett des Finanzkapitalismus
Um der zweitgrößte Player auf dem Kaffeemarkt zu werden, wurden seit 2012 über 60 Milliarden Dollar investiert. Dazu holte sich Peter Harf potente Investoren ins Boot, die er von seiner Anlagestrategie überzeugen konnte. 2015 gründete er deshalb die Plattform „JAB-Consumer-Partners“ mit denen er gemeinsam die Investitionen stemmen konnte. Dabei behielt JAB immer die führende Rolle. Klingende Namen dabei sind: Die Bankhäuser Goldmann Sachs, HSBC, Deutsche Bank und JP-Morgan-Stanley. Peter Harfs Vorbild Warren Buffet ist dabei, Quantum-Capital von George Soros, der indonesische Staatsfonds Temasek und die staatliche Qatar-Investment. Dazu kamen große Familienvermögen von Peugeot, VanDamme und Anheuser-Bush. Zuletzt auch Pensionsfonds von Universitäten aus Pennsylvania und Stanford.
Die Liste liest sich wie das Who-is-who der fossilen Energien, der Steuervermeidung und der Geldwäsche. Das Marketing suggeriert die Weltrettung aus der Kaffeetasse:
Kaffekapseln als Qualitätsbeweis
Der Kaffeegigant JDE-Peet’s ging im Juni 2020 in Amsterdam an die Börse. Zuvor wurden Jacobs-Douwe-Egberts (JDE) mit dem US-Röster Peet’s verschmolzen. Der Börsenneuling heißt deshalb JDE-Peet’s und wird mit 17 Mrd. € bewertet, bei einem Umsatz von jährlich 7 Milliarden Euro.
Sogar die italienische Edel-Marke Illy wird mittlerweile im Joint-Venture mit JDE-Peet’s in Kapseln gefüllt und im Einzelhandel angeboten. Demnächst geschieht das auch mit Kaffee von McCafé (McDonalds) – als Kapsel, Pad oder gemahlen für zu Hause.Eine ähnliche Kooperation gibt es mit dem Marktführer SMUCKERs in den USA („Coffee at home“) für Kaffee zu Hause.
Die Jacobs-Alu-Kapseln sind in Europa kompatibel mit dem Nespresso-System und das Aluminium wird als besonderes Qualitätsmerkmal beworben. JDE-Peet’s baut gerade eine neue Kapselfabrik in Frankreich für über 100 Mio. Euro.
Weltweit listet die JDE-Peet’s Website über 60 Marken. Alles zusammengekauft seit 2012 mit einem Investitionsvolumen von über 60 Milliarden Dollar.
JAB-Holding dirigiert noch mehr Kaffee-Weltmarkt-Player: Keurig in USA
Das Kaffeereich der übergeordneten JAB-Holding ist aber weit mehr verzweigt als es mit Blick auf den Börsenneuling JDE-Peet’s zunächst erscheint. Als weiteres Standbein wurde 2016 für 13,9 Millarden Dollar der führende US-Röster und Kapselhersteller Keurig Green Mountain eingekauft – NESTLÉ spielt bei Kapseln in USA kaum eine Rolle.
2018 folgte der Kauf von Getränkehersteller DrPepperSnapple-Group für über 21 Milliarden Dollar (7up, Schweppes, Sunkist, Evian-Wasser in Kooperation mit Danone).
Beide Firmen wurden unter Regie der JAB-Holding zu Keurig-DrPepper (KDP) verschmolzen. Der entstandene Gigant hatte 2019 dann eine Bilanzsumme von knapp 50 Milliarden Dollar und generierte 2021 12,7 Milliarden $ Umsatz – er ist an der Börse notiert. Der Kaffeebereich von KDP wird mit 38 Prozent angegeben, das sind dann ca. 4 Mrd. $, die zum Umsatz der JDE-Peet’s-Gruppe noch hinzu kommen. Alles in allem also ca. 11 Milliarden Dollar Kaffee-Umsatz unter dem Dach der JAB-Holding.
Zusätzlich zu Kaffee war das der Einstieg in den allgemeinen Getränkemarkt. Harf: „Der globale Markt für nicht alkoholische Getränke hat ein Volumen von 1,3 Billionen Dollar. Da gibt es noch Riesenchancen.“ Die Marke SCHWEPPES und Mineralwasser wie POLAR-Selters gehören z.B. dazu. In diesem Bereich tritt die JAB-Holding ebenfalls gegen den Konkurrenten NESTLÉ an. Keurig-DrPepper ist nicht in JDE-Peet’s integriert. Sie agieren selbständig hauptsächlich auf dem US-Markt. Im Hintergrund werden aber Synergie-Effekte genutzt, z.B. beim Rohkaffee-Einkauf:
Bloomberg meldete im Januar 2018, dass die wachsende Nachfragemacht der JAB-Holding im Rohkaffee-Geschäft bereits konkrete Auswirkungen auf die verlangten Zahlungsmodalitäten bei den Kaffee-Brokern an der Börse hat. JAB verlange einen 3-fach so langen Zahlungsaufschub wie Nestlé. Für den Verbraucher ist nichts zu sehen: Die Marken bleiben „selbständig“, alles läuft im Hintergrund. KDP in USA hat im Februar 2021 eine satte Dividendenerhöhung um 25% angekündigt – trotz Corona!
Café-Ketten – 80 Prozent Umsatz aus 20 Prozent Kaffee
Will man Kaffee zu Cash machen, dann muss man auch den Außer-Haus-Markt bedienen. Starbucks hat hier die Maßstäbe gesetzt. Die Marktdefinition dafür umfasst Hotels, Bäckereien, Tankstellen, Coffeeshops, Restaurants, Betriebe und Büros, Flughäfen und Bahnhöfe.
Man glaubt es kaum, aber Kaffee unterwegs getrunken generiert heutzutage 80% des Umsatzes mit Kaffee weltweit – und das aus nur ca. 20% der Menge des global gerösteten Kaffees (Statista, Consumer Outlook-2020-03)
Mittlerweile hat Harf in USA bereits knapp 30 Prozent (4700) der Anzahl von Starbucks-Niederlassungen (ca. 15 000) in Form von Coffee-Shops, Bäckerein und Fast-Food-Ketten und verdient damit über 7,8 Mrd. $ (Allegra-Portal 2019). Dazu gehören Ketten wie Caribou, Pret, Panera, Stumptown, Peet’s-Shops, Krispy-Kreme und die Online-Plattform DRINK-TRADE und weitere. Die Ketten verkaufen nicht nur Kaffee agieren aber großteils selbständig, was bedeutet, dass ihr lukrativer Umsatzanteil mit dem Getränk zu den 11 Milliarden JDE und KDP-Umsätzen noch dazugerechnet werden muss.
Wer in Deutschland schon mal bei BALZAC Kaffee trank, der muß jetzt zu Harfs ESPRESSO-House gehen, denn die deutsche Kette ist darin aufgegangen. ESPRESSO-House ist mit über 400 Shops führend in Nordeuropa. Bereits ein kurzer Gang durch den Berliner Hauptbahnhof ist wie ein Panorama des Coffeeshop-Weltmarktes. Die Kette PRET am Eingang gehört zur JAB-Holding, ein paar Schritte weiter gibt es Pappbecher der Kette COSTA, die sich der Coca-Cola-Konzern einverleibt hat, weiter geht es zu STARBUCKS einen Stock höher. Gleich zwei DUNKIN-Filialen mit Kaffee-Angebot gibt es nebenan. Diese Kette wurde gerade für 9 Mrd. Dollar an einen Investor verkauft. McCafé im 1. Untergeschoss innerhalb der McDonalds-Filialen hat global die meisten Niederlassungen.
Größter Kaffeemarkt USA
Der US-Kaffeemarkt wird von Statista auf ca. 80 Milliarden Dollar geschätzt. Dort bekriegen sich JAB/Keurig mit Nestlé und Starbucks.
Starbucks-Kaffee wird dort schon länger im Supermarkt in Keurig-Kapseln für Keurig Maschinen angeboten und von KEURIG geröstet. Ironie des Wettbewerbs: Nestlé hat 2019 den Einzelhandels-Vertrieb der Starbucks-Marke für 7 Milliarden $ übernommen und muss nun Kapseln des Konkurrenten Keurig in die Regale stellen. Keurig ist Marktführer für Kapselkaffee in den USA. Bestellt man sich Spezialitäten-Kaffee in den USA, nutzt man die Online-Plattform TRADE. Über 60 Röster versammelt Harf dort und vermarket dabei auch seine eigenen Marken (Stumptown). Die schon erwähnten Kaffee- und Bäckereiketten im US-Markt ergänzen das Portfolio. Nestlé versuchte dagegenzuhalten und verleibte sich die Edel-Röster-Kette „Blue Bottle“ ein. Die operiert mittlerweile auch in Süd-Korea, Japan und Honkong – aber nur mit 91 Shops weltweit. Hinzu kam 2017 der Bio-Cold-Brew-Marktführer „Chameleon Cold Brew“.
Brasilien – Nummer Zwei im globalen Kaffee Inlandsgeschäft
Schauen wir in den zweitgrößten globalen Inlands-Kaffeemarkt Brasilien, dann treffen wir auf die JDE-Marken von „Cia. Cacique“, mit der Fußball-Legende Pelé als Werbe-Ikone und eigenen Kaffeeplantagen im weltgrößten Kaffee-Anbauland. CACIQUE exportiert Instant-Kaffee in über 70 Länder. Die Marke „PILAO“ ist marktführend – insgesamt werden über 10 Marken von JDE in Brasilien gelistet.
Lösliche Pampe für Asien
In Asien gelang JDE der Einstieg mit dem Kauf von „SUPERGROUP“, ein Hersteller von überwiegend löslichem Kaffee, der in Asien und besonders China sehr beliebt ist. Exportiert wird, wie bei CACIQUE aus Brasilien, in dutzende Länder weltweit. Die 15 asiatischen Fabrikationsstandorte sind u.a. in China, Myanmar, Malaysia, Singapur, Vietnam. Die Marke OLD TOWN in Malaysia ergänzt das asiatische Portfolio. In China gab es Mitte 2021 bereits 63 Stores der Kette „Peet’s“ – man will dort kräftig aufstocken und bedient den neuen Hype des „Cold-Brew“-Marktes. Konkurrent Starbucks hat in China bereits deutlich über 3000 Läden (2023).
Im Juli 2022 wurde bekannt, dass die Kette PRET in den indischen Markt einsteigt und global mittlerweile 550 Shops hat. (Alle Angaben online aus dem GlobalCoffeeReport-Magazin)
Weltrettung aus der Kaffeetasse – „klimaneutral, nachhaltig und sozial“
Ruft man die diversen Webseiten der JAB-Kaffeefirmen auf, dann ist eigentlich die Welt schon gerettet. JDE-Peet’s verkündet vollmundig „We are the Champions of Coffee-Democrazy”. Bei Keurig ganz ähnlich: ,,Drink Well – Do Good” – Abfallproblem, Wasserverbrauch, Lieferkette, Verpackung – alles Okay! Die Panera-Shops geben kund „Wir glauben an den Bagel, er hat die Kraft tolle Dinge zu tun – Kaffee ist unsere Leidenschaft.“ Bei den Krispy-Kreme-Shops wird es gleich religiös: „Unser Glaube: Lasst uns Dinge gemeinsam geniessen, speziell die fluffigen, süssen Köstlichkeiten, die wir Donuts nennen!“ (Siehe Grafik oben)
Die gesamte JAB-Gruppe hat sich dem „G7 Business for Inclusive Growth“ der OECD angeschlossen „for the benefit of all.“
Das Greenwashing-Bekenntnis zur Klimaneutralität fehlt nirgends, man ist auf bestem Wege die Welt zu retten – aus der Kaffeetassee.
Third Place – Coffee goes Starbucks-Hype
1989 publizierte der Soziologe Ray Oldenburg seine Untersuchung „The Great Good Place“, in dem er insbesondere den neuen Cafés den „Third Place“, also den dritten Platz zwischen Familie und Arbeitsplatz, zuwies – als zentralem Ort der gesellschaftlichen Begegnung und des kommunikativen Austauschs.
Starbucks Chef Howard Schultz erkannte damals schnell den Marktwert des überall gefeierten Buches (New York Times Editor’s Choice). Künftig wurden seine Gelddruck-Filialen als Inkarnation dieses „großen guten Ortes“ beworben – als das Herz der sozialen Vitalität einer Community oder gar – ganz politisch – als „Basis der Demokratie“, wie es im Klappentext des Buches heißt.
Dieses Marken-Branding von Starbucks wurde zur Blaupause für alles, was danach von Anderen veranstaltet wurde – jeder Investor konnte ja sehen, wie man den jungen Millenials das Geld aus der Tasche ziehen konnte.
Coffee-to-Go und Premiumisierung
Nachdem einmal der Außer-Haus-Markt als lukrativ erkannt wurde, differenziert er sich nun in Segmente: Coffee-to-Go ist bereits seit langem der Renner. Mit Millionen abgeholzter Bäume für nicht recycelbare, plastikbeschichtete Papierbecher – „Lebensdauer“ 10 Minuten.
Das Konsumversprechen, etwas Einzigartiges zu trinken wird über Marken- und Produktvielfalt bedient. Stinknormaler Filterkaffee wird wie eine kürzliche Innovation beworben, weil es dafür jetzt teure spezielle Filterpapiere und noch teurere Glaskannen zu kaufen gibt.
Kultige Brühmethoden versprechen den Hauch von Individualismus, und der Kaffee wird häufig mit dem entsprechenden teuren Equipment verkauft. Beispiel Blue Bottle von Nestlé: Aeropress, Chemex, Cold Brew, Pour Over, French Press, New Orleans-style Iced, Siphon, Bialetti Moka Pot, Espresso, Nel Drip, The Blue Bottle Pour Over. Zur letzten Methode wird das passende „Blue Bottle Welcome-Kit“ angeboten.
Ready-to-Drink – alles kalter Kaffee
Kalte Kaffeegetränke in Dosen oder Tüten aus dem Kühlregal sind der neue Renner. Die JAB-Holding hat hier mit dem führenden Kaltgetränke-Hersteller DrPepper-Snapple den Fuß in der Tür: „Wir haben festgestellt, dass immer mehr Menschen koffeinhaltige Getränke in kalter Form zu sich nehmen … das heißt: Wenn wir es nur bei traditionellen Kaffeeprodukten belassen würden, hätten wir irgendwann ein Wachstumsproblem.“ (Manager Harf laut Reuters 20.9.2018) Wachstumsprobleme? Geht natürlich gar nicht – wer nicht wächst, geht einen Schritt zurück.
Dabei ist zu beachten, dass der Ready-to-Drink-Markt nicht in der normalen Kaffee-Statistik erfasst wird und dieser Umsatz noch addiert werden muss.
Harf rollt die Märkte auf
Harf erklärte 2020 dem Spiegel: „Unser Ansatz ist bis heute, ganze Branchen aufzurollen. Das haben wir erst bei Haushaltsprodukten getan, dann bei Kosmetik und Parfüms, später bei Kaffee, Getränken, Imbissketten und jetzt auch mit Tierkliniken. Wir haben reihenweise Marken aufgekauft und weiterentwickelt.“
JAB konkurriert heute mit diversen Global Playern auf verschiedenen Gebieten
NESTLÉ wird im Kaffee- und Kapselbereich angegriffen und bei Mineralwasser. Starbucks muss sich gegen die Shop-Konkurrenz wehren. Pepsi-Cola und Coca-Cola haben einen Gegner bei Limonaden-Kaltgetränken. Der zuletzt aufgekaufte Zweig der Tierkliniken ist bereits Nr.2 weltweit (3 Mrd. Umsatz) was dem MARS-Konzern als Nr. 1 bei Tierkliniken Probleme macht. Mars prozessiert gegen JAB, weil die den ehemaligen Mars-Manager Szarzynski abgeworben haben und dieser, so der Vorwurf, brisante Unterlagen mit brachte. (Website JAB: „Mr Szarzynski joined JAB in 2019 after 20+ years at Mars, where he held various senior Finance, Demand and Supply positions.“)
Zudem hat JAB 2022 den Einstieg in die Haustier-Versicherungsbranche geschafft. Man rollt die Märkte auf.
Harf – der Ackermann im Rendite-Kaffeewahn
Der ehemalige Deutsche Bankchef Ackermann wurde damit bekannt, ein Renditeziel von 25 Prozent für das Bankhaus vorgegeben zu haben. Bei Harf sind es bescheidene 15 Prozent. Der normale Sparer senkt betroffen sein Haupt.
Im Interview mit dem Spiegel (11.9.2020) erklärt Harf das so: „Der Wert all unserer Beteiligungen beträgt derzeit 120 Milliarden Dollar, darin enthalten sind auch die Anteile externer Investoren. Diesen Wert wollen wir in den kommenden zehn Jahren erneut vervierfachen. Das sind 15 Prozent Verzinsung pro Jahr, und das entspricht der Rendite, die wir mit der Familie [Reimann] vereinbart haben.“
Im Klartext will er also bis 2030 den Wert aller Beteiligungen auf die gigantische Summe von 480 Milliarden Dollar heraufschrauben.
Das wäre etwas mehr als der gesamte globale Umsatz mit Kaffee im Jahr 2022. Die Kaffee-Farmer:innen bekommen dann vielleicht noch weniger als ihre mageren 4 Prozent davon. The war on coffee goes on. In Deutschland wird nur jede zwanzigste Tasse Kaffee fair getrunken. Dort landen aber über 20 Prozent der Erlöse bei den Kooperativen in den Erzeugerländern.
Anmerkungen – alle anderen Quellen bereits im Artikel.
Luxemburg-Leaks
https://www.ndr.de/nachrichten/investigation/Reckitt-Benckiser-Saubermaenner-in-Luxemburg,reckitt102.html
https://daserste.ndr.de/panorama/archiv/2019/Steuerparadies-Luxemburg-Weiter-beliebt-bei-Deutschlands-Reichen,luxleaks144.html
Ready-to-Drink
The global Ready to Drink (RTD) Coffee market size was valued at USD 22.44 billion in 2019 and is projected to reach USD 42.36 billion by 2027, exhibiting a CAGR of 8.31% during forecast period.
https://www.fortunebusinessinsights.com/industry-reports/ready-to-drink-rtd-coffee-market-100285
Globaler Kaffeemarkt 2021
Dublin, Feb. 09, 2021 (GLOBE NEWSWIRE)
Global $465.9 Billion Coffee Market (Value, Volume)
Analysis and Forecast to 2026
https://www.globenewswire.com/news-release/2021/02/09/2172014/0/en/Global-465-9-Billion-Coffee-Market-Value-Volume-Analysis-and-Forecast-to-2026.html