Kaffee zweitwichtigstes Handelsgut nach Erdöl? Die überfällige Korrektur einer Legende …
Kaffee ist nicht das zweitwichtigste Handelsgut nach Erdöl, wie es in unzähligen Veröffentlichungen über Kaffee heißt. Die Popularität dieser hartnäckigen Legende wird von ernsthaften Kaffeekennern seit Jahren beklagt.
Wichtige Handelsgüter können oft nicht direkt verglichen werden. Bemisst man die Wichtigkeit nach Volumen? Nach gehandeltem Wert? Oder nach der Bedeutung, die sie für Millionen Menschen haben, von denen sie jeweils produziert werden?
Beginnen wir mit Öl
Rohöl ist kein Agrarprodukt wie Kaffee und kann damit nur über den Preis verglichen werden. Auch ist Öl ein Ausgangsprodukt für extrem viele weitere Produkte wie Benzin und als Grundstoff der Chemischen Industrie, woraus dann Farben und allerlei Kunststoffe entstehen, die als Plastikverpackung, Kleidung, Spielzeug, Fahrzeug-Innenausstattung usw. in Umlauf kommen. Eine gigantische Wertschöpfungskette.
Kaffee hingegen wird als Agrarprodukt zwar auch weiter verarbeitet, aber differenziert sich bei weitem nicht derart wie bei Öl. Als Endprodukt haben wir gerösteten Kaffee, der entweder als Bohne oder gemahlen im Supermarktregal steht. Als Instant-Kaffee ist er noch weiter verarbeitet und wird uns als krude Mischung mit allerlei chemischen Aufschäumhilfen sogar als Cappuccino angeboten. Der Außer-Haus-Verkauf ist ein weiteres lukratives Geschäft.
Will man ganz akribisch sein, kann man noch das Koffein betrachten. Ein Teil des Kaffees wird als grüne Bohne, vor dem Rösten also, entkoffeiniert. Das ist ein Business z.B. der „Coffein-Company“ in Hamburg. Das extrahierte Koffein wird an die pharmazeutische Industrie als Rohstoff für Medikamente, z.B. gegen Migräne, verkauft. Damit endet die Wertschöpfungskette.
Betrachten wir zunächst die jeweiligen Rohprodukte, wie sie exportiert werden:
Rohkaffee versus Rohöl
Der Öl-Export generierte 2015 US$ 788 Milliarden, während Rohkaffee nur rund US$ 19 Milliarden ausmachte.
Aluminium, Kupfer und Eisenerze liegen ebenfalls weit vor Kaffee.
Ebenso Soja und Weizen→ Grafik
Selbst wenn man den Umsatz der jeweiligen Endprodukte berücksichtigt, liegt Kaffee weit hinter Öl: Betrachten wir weiterhin das Jahr 2015, dann meldet STATISTA einen Umsatz für Röst- und Instantkaffee zusammen von € 297 Milliarden, was ca. 353 Mrd. Dollar entspricht. Das wäre nur etwas mehr als die Hälfte, was bereits mit Rohöl umgesetzt wird, ohne dessen Weiterverarbeitung zu betrachten.
Interessant ist allerdings, was aus 20 Mrd. Dollar Rohkaffee letztlich an Umsatz generiert wird: Der Wert des Rohkaffees erhöht sich in der Verarbeitungskette bis zum Endkonsumenten um mehr als den Faktor 17 – von 20 Mrd. Dollar auf 353 Mrd. Dollar! Das bedeutet im Klartext, dass nur etwas mehr als 5% des weltweiten Kaffee-Umsatzes in den Erzeugerländern landet.
Bedeutung des Roh-Kaffees für die Erzeugerländer
Betrachtet man die Sache aus Sicht der Erzeugerländer ergibt sich folgendes Bild (siehe Tabelle unten):
- Unter den 12 größten Kaffeeländern nach absoluter Produktion (nicht der Export) befinden sich 6, für die der Kaffee nicht einmal unter den 10 wichtigsten Exportgütern gelistet ist (in der Tabelle = nein)
- Diese 12 Länder produzieren 92% der Kaffee-Welternte 2019/20.
- Nur bei 3 Ländern ist Kaffee Hauptexportgut: Ethiopia, Honduras, Uganda (das muss für Uganda mittlerweile korrigiert werden, seit einigen Jahren ist das Hauptexportgut GOLD)
- Bei 3 Ländern hat der Kaffee den Export-Rang 3 oder 4: Colombia, Guatemala, Nicaragua
Daraus ergibt sich ebenfalls, daß die Einschätzung „Kaffee an zweiter Stelle nach Öl“ eine maßlose Übertreibung ist.
Daten: ICO – http://www.ico.org/historical/1990%20onwards/PDF/1a-total-production.pdf
12 größte Kaffeeländer Total Production | 10 Hauptexportgüter nach Wert in US$ gestaffelt (ComTrade Yearbook 2019 – Keine Industriewaren berücksichtigt) |
Ist der Kaffee unter den 10 wichtigsten Exportgütern? |
Brazil | Soya (1), Cane (4), Meat (6), Mais (8) | nein |
Viet Nam | Nuts (10) | nein |
Colombia | Flowers (6) | Coffee (4) |
Indonesia | Palmoil (2), Rubber (4) | nein |
Ethiopia | Oil-Seeds (2) | Coffee (1) |
Honduras | Crustaceans (2) | Coffee (1) |
Uganda | Gold (1), Fish (3), Cane (4) | Coffee (2) |
India | Rice (5), Crustaceans (8), Meat (10) | nein |
Mexico | No Agro-Commodities (>NAFTA) | nein |
Peru | Fruits (8), Grapes (10) | nein |
Guatemala | Bananas (1), Cane (2), Nutmeg (4), Palmoil (5) | Coffee (3) |
Nicaragua | Meat (5), Crustaceans (6), Meat fresh (7) | Coffee (3) |
Die Angaben in Klammern bezeichnen jeweils den Rang innerhalb der 10 wichtigsten Exportgüter. |
Erläuterungen zu einigen Auffälligkeiten in der Tabelle:
Mexiko hat keine Agrarrohstoffe unter seinen wichtigsten Exportprodukten, weil es als Teil des NAFTA-Vertrages (North-Amerikca-Free-Trade-Agreement) zu einem bevorzugten Standort für US-amerikanische Industriewaren wurde und diese dann nach USA oder weltweit exportiert – der Wert dieser Waren ist entsprechend hoch und übertrifft alle von Mexiko exportierten Agrargüter.
Weitere Quellen im Web zu diesem Thema (englisch):
https://standartmag.com/blogs/journal/coffee-myths-part-1
https://perfectdailygrind.com/2017/05/coffee-isnt-worlds-2nd-most-traded-commodity-but-its-important/
https://www.thefreelibrary.com/Coffee+second+only+to+oil%3F+Is+coffee+really+the+second+largest…-a0198849799